Auf der Walz – Wandergesellen in Leibnitz

In der Hand den Stenz (Stock), auf der Schulter den Charlottenburger (Tuch, in das der Wandergeselle sein Hab und Gut einwickelt) und seinem Zuhause nie näher als 50 Kilometer. So spielt sich das Leben der fünf Wandergesellen ab, die kürzlich Bürgermeister Michael Schumacher im Rathaus ihre Aufwartung machten.

Die jungen Leute besuchten Leibnitz, überbrachten die guten Wünsche der jeweiligen Zunft, klopften mit ihrem Wanderstock auf den Boden und sagten einen Spruch auf. Damit baten sie um eine kleine finanzielle Reiseunterstützung.

Alle sind bereits zwischen 10 Monaten und zwei Jahren unterwegs. Vom Spätmittelalter bis Mitte des 18. Jahrhunderts war die Walz Voraussetzung für den Gesellen, seine Meisterprüfung zu beginnen. Wer die Gesellenprüfung bestanden hat, ledig, kinderlos, schuldenfrei und unter 30 Jahre alt ist, darf losmarschieren. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Der Wandergeselle darf kein eigenes Fahrzeug besitzen und sich nur zu Fuß oder per Anhalter fortbewegen. Alles andere gilt als unehrenhaft.

Geschlafen wird dort, wo es trocken und sicher ist. „Ein Bett brauchen wir nicht unbedingt“, erklärten die Wandergesellen einstimmig. Mit dem Wanderstock gegen etwaige Übergriffe gerüstet -das kommt gerade bei jungen Männer Gott-sei-Dank aber so gut wie nie vor – können sich die Handwerker gut wehren: Der sogenannte „Stenz“ ist ein typisch knotig verdrehter oder wendelförmig gewachsener Wanderstock. Der Stenz erhält seine charakteristische Form dadurch, dass er von einer Schlingpflanze, zum Beispiel Geißblatt oder Knöterich, während des Wachstums umschlungen und so geformt wird.

Weiters muss ein Wandergeselle in der Öffentlichkeit immer seine „Kluft“ tragen. Die Farben der Bekleidung zeigt dabei die Zunft des Wandergesellen an. So tragen Holzgewerke Schwarz, Metallgewerke Blau, Steinhandgewerke Grau bzw. Beige, Lebensmittelgewerke das Pepita-Muster, farbgebende Gewerke Rot und naturbezogene Gewerke Grün.

Der wichtigste Gegenstand, den ein jeder Wandergeselle mit sich führt, ist sein Wanderbuch. In diesem werden Arbeitszeugnisse sowie die Städtesiegel der besuchten Ortschaften eingetragen, nachdem bei deren Bürgermeistern mit dem traditionellen Handwerksgruß „zünftig um das Siegel vorgesprochen“ wurde. Dies geschah natürlich auch im Rathaus Leibnitz. Bürgermeister Schumacher bedankte sich bei den Wandergesellen für den Besuch und die guten Wünsche.

Und übrigens: Wenn Ihnen einmal eine junge Frau oder ein junger Mann begegnen, die/der auf der Walz ist, fragen Sie sie/ihn doch nach seiner Reiseroute und ihrem/seinem Handwerk. Gerne geben die jungen Leute Auskunft über den alten Brauch und die spannende Wanderschaft und freuen sich bestimmt auch über eine kleine Reiseunterstützung.

Foto: Stadtgemeinde Leibnitz/Christian Gsell

Bilduntertitel:       Marek Raschke (21), Lorenz Lindemann (24), Lars Hansen (30, im Vordergrund), Laurenz Jannik (21) und Johannes Harras (25) – von links nach rechts – besuchten das Leibnitzer Rathaus und Bürgermeister Schumacher auf ihrer Walz.

Über den Autor

Andrea Kölbl

Andrea Kölbl ist zuständig für redaktionelle Arbeiten in der Stadtgemeinde Leibnitz und für Texte und Fotos im Stadtmagazin UNSER LEINBITZ und auf der Homepage der Stadtgemeinde Leibnitz. Des Weiteren ist sie Mitarbeiterin in der Stadtamtsdirektion. Sie erreichen Andrea Kölbl unter [email protected].